Warum wird in Organisationen eigentlich so viel Wirbel um das Wort „Letztverantwortung“ gemacht? Oft wird diese aller letzte Verantwortung, die an Führungskräften klebt, überbetont. Fast ehrfürchtig steht es in Unternehmen “rum” und wird mal als Entlastung oder auch als Drohung formuliert.
Gleichzeitig wünschen sich alle – und auch viele Führungskräfte – , dass jede und jeder Verantwortung übernimmt und wundert sich dann, wenn bei dieser einseitigen Fokussierung etwas Entscheidendes verloren geht: Verantwortungsvolle Zusammenarbeit, das gemeinsame Gestalten von Entscheidungsprozessen. Das radikale Mitgestalten von Wertschöpfung, von Entscheidungsprozessen – durch Können, Expertise, Erfahrung, durch all die vielen Profis, die in all den großartigen Unternehmen arbeiten.
Die große Schwester der Letztverantwortung heißt die Letztverlässlichkeit!
Bevor ich nun in das faszinierende Feld der kollektiven Entscheidungsgestaltung abbiege (was ich übrigens sehr gern tue), möchte ich dem großen, gewichtigen Wort „Letztverantwortung“ seine um einiges größere Schwester vorstellen: die Letztverlässlichkeit.
Was wäre, wenn wir dieses schöne Wort Letzverlässlichkeit in unsere Organisationen einladen, sie als Vokabel für verantwortungsvolles Arbeiten etablieren und die überbeanspruchte Letztverantwortung entlasten?
Während die Letztverantwortung häufig an formale Führung gebunden ist, den Fokus auf Führungskräfte als Vorgesetzte statt auf gemeinsame Führungsarbeit lenkt, lässt die Letzverlässlichkeit Raum für alle, die gestalten und handeln. Sie ist ein Sicherheitsangebot, eine Ressource. Das Können, die Expertise von Führungskräften wird “gezogen”, fungiert als verlässliche Option. Wenn wir uns aufeinander verlassen können, wenn wir aufeinander zählen, dann wird das Ungewisse, das Risiko, das jede echte Entscheidung mit sich bringt, gemeinsam getragen. Dann wird die Meisterschaft, die in vielen Führungskräften steckt, eine Möglichkeit ohne dass andere selbst aus der Verantwortung aussteigen müssen.
Letztverantwortung entzieht anderen Verantwortung und Motivation und kann Teamarbeit schwächen. Letztverlässlichkeit verbindet verantwortungsvolles Handeln. Und genau darin liegt eine schöne Essenz von Teamarbeit, von gemeinsamer Wertschöpfung, von erwachsener Zusammenarbeit.
Für jene, die nun gerne erwidern möchten, dass Führungskräfte jedoch viel und vor allem Letztverantwortung tragen: Es reicht, wenn sie nicht letztverantwortlich sind sondern einfach verantwortungsvoll handeln. So wie wir das von allen anderen auch brauchen.
“Die Kunst, entscheidungsstarke Teamarbeit zu gestalten” ist eine andere Geschichte. Wer Lust hat, dieses Thema in der eigenen Organisation oder im Team komprimiert zu erkunden: Ihr wisst ja, wo ihr mich findet.
Für heute wünsche ich dem Wort Letztverlässlichkeit gebührende Aufmerksamkeit.
