Schon mal ausgehofft?

Ist “Hoffnung haben” immer sinnvoll?

Wir können hoffen, dass es diesmal glatt geht, dass die anderen früher oder später draufkommen, dass wir uns doch nicht geirrt haben, dass es wem auch immer eine Lehre sein wird, dass man ein Ziel erreicht, dass die jetzige Regierung endlich und die Politik hoffentlich und wegen des Klimawandels auch Brasilien, Australien, Saudi-Arabien und die USA,…

Also zu hoffen gibt es eine ganze Menge. Doch ist “Hoffnung haben” immer sinnvoll? Können wir nicht auch mal die Hoffnung aufgeben? Und wenn ja, vielleicht tut dies sogar gut? Es kann durchaus hilfreich sein, wenn wir die Hoffnung mal sein lassen. Wenn wir mal  „ausgehofft“ oder „fertig gehofft“ haben oder „enthofft“ sind, hat das auch etwas Belebendes, Aktivierendes. Vor allem dort, wo „Hoffnung haben“ eigentlich gar nichts zu suchen hat .

Vor kurzem hat mir eine hochgeschätzte Kollegin erzählt, dass sie in einer wichtigen Angelegenheit die Hoffnung verloren hat. Ich war anfangs sehr überrascht. Wie kann das denn sein? Das geht doch nicht? Wir brauchen doch Hoffnung, überall. Sie ist ein Motor, sie ist Energie, sie ist eine wertvolle Ressource. Doch meine Kollegin wirkte sehr erleichtert, befreit, beschwingt und voller Tatendrang.

Hoffnung haben, auf etwas hoffen kann auch ein Abwarten, in einer unpassenden Situation bleiben bzw. hoffen, dass sich etwas oder jemand ändert bedeuten. Und wenn dies trotz all der Hoffnungsmühe nicht eintritt, dann kommt zusätzlich noch Druck, Enttäuschung, Stress, unangenehme Stimmung auf. Hier kann dann “Hoffnung haben” schwächen bzw. emanzipatorische Kräfte entkräften.

Ein paar Beispiele wo Hoffnung wohl nichts (mehr) zu suchen hat:

  • Wenn der Chef oder die Chefin nach wie vor nicht zuhört oder gleich rumbrüllt,
  • wenn das Top-Management nicht versteht was man an der Peripherie sicher besser weiß,
  • wenn Menschen hoffen, dass die Überregulierung im Unternehmen endlich aufhört,
  • wenn man immer hofft, dass sich Menschen ändern und man an ihnen herumschraubt, 
  • wenn auch das neue MA-Bindungsprogramm nicht wirklich hilft,
  • wenn trotz Employer Brandig der Fachkräfteansturm ausbleibt,
  • wenn trotz betrieblichem Gesundheitsmanagement die Zufriedenheit nicht zu und die Krankenstände nicht abnehmen,
  • wenn man den 7. Change-Management-Prozesse beginnt und hofft, dass …,
  • wenn weitere Optimierungsversuche nicht optimieren,
  • wenn das Kultur-Entwicklungs-Programm viel kostet, viel Arbeit macht und trotzdem nicht wirkt, 
  • wenn man permanent mehr Selbstverantwortung einfordert, es die Strukturen jedoch nach wie vor nicht zulassen,
  • wenn auch der 18. Konfliktmanagement-Workshop die interne Kommunikation nicht verbessert,
  • wenn die noch so fein detaillierte Stellenbeschreibung nicht hilfreich ist, um gut, besser zusammenzuarbeiten, 
  • wenn „etwas schön reden“ oder „sich arrangieren“ nicht mehr geht,

dann kann man auch mal die Hoffnung aufgeben und schauen was passiert. Das kann mobilisieren. Enthofft-sein schärft auch unsere Wahrnehmung. Und diese ist die Grundlage, um zu wissen, was zu tun ist. Wer also glaubt, dass es ohne Hoffnung kein Morgen gibt, der kann sich weiter ärgern, wundern, aufregen, abwarten, sich vergeblich bemühen. Ich finde es schön, dass es auch ohne Hoffnung ein Morgen gibt. Wenn man die Hoffnung mal sein lässt, dann kann man als Mensch und als Organisation beginnen, sich wiederholende Muster zu hinterfragen, das Reproduzieren von ein und dem selben Problem versuchen zu verstehen und dann zu beenden, Sachen in die Hand zu nehmen, es anders zu machen, neue Möglichkeiten außerhalb der hoffnungsvollen Zone zu finden. Denn die Hoffnung nicht aufzugeben, ist hier auch das Festhalten an einer Illusionen. Das ist im unternehmerischen Kontext gefährlich, im Privaten auch.

***Er hat nicht gehofft, dass alle mitgestalten, er hat alle dazu eingeladen mitzumachen. Alle die wollen. Andreas Schlegel, der Vorstand der FSM AG, erzählt im neuen Podcast weniger von der Hoffnung und viel vom Weg hinaus aus der Alpha-Organisation hinein in eine Beta-Organisation, hinein in Dezentralisierung, Selbstorganisation und Zellstrukturen.

Nicht jeder macht was was er will >>

***Mit der viralen Verbreitung von Bullshit, vor allem in den sozialen Netzen, gerät die Demokratie in Gefahr.  Wer nicht mehr hoffen will, dass er oder sie in keine Fake News Falle tappt, kann man dieses Buch lesen und dazulernen.

Bullshit-Resistenz von Philipp Hübl >>

Und natürlich ist Hoffnung hilfreich und essentiell. Man kann hoffen, dass jemand eine schwere Erkrankung gut übersteht, keine Schmerzen hat, dass liebe Menschen gut von Reisen zurückkehren. Man muss bei Katastrophen aller Art hoffen, denn da erzeugt Hoffnung Energie und Kräfte, um diese zu überstehen, Unmögliches zu schaffen. Bei pubertierenden Teenager können alle hoffen, dass sowohl die Jugendlichen als auch die Eltern möglichst gut und ohne zu viel Schrammen durch diese Zeit kommen. Wir können hoffen, dass wir tollen, inspirierenden Menschen begegnen und dass es am 24.12. schneit.

“Der Mensch ist das Tagebuch seiner Begegnungen”

Zitat von Ernst Weichselbaum

Ich wünsche allen, dass dieser Satz schön schwingt, sich die vielen Begegnungen im Leben gerade in einem treffen. Auch wünsche ich uns allen an- und aufregende Begegnungen 2020 und bedanke mich für die bisherigen. Ein volles Tagesbuch, geschichtenreich, abenteuerlich, wertvolles Gut. Elisabeth Sechser