Die Lust der Frauen am Erfolg

We rule you, we fool you, we shoot at you, we eat for you, …” In Liv Strömquist´s Comic “I´m every woman”, finden wir auf Seite 80 diese, … ähm,… nennen wir sie doch einfach Pyramide. Böses Bild?

Dann schwenken wir den Blick in Unternehmen und auf den Beratungsmarkt und finden dort: Zahlreiche Leadership-Initiativen, Konzepte aller Art, Frauenförderprogramme, Einladungen an viele großartige Frauen, sich in die Höhen der Top-Management-Ebenen zu schwingen. Hinauf mit uns. Wie viele Frauen sind bereits in welcher der vielen Hierarchiestufen angekommen? Die mühsamen Diskussionen, ob wir uns als Gesellschaft auch innerhalb von Unternehmen – diesen gesellschafsprägenden und live-erlebenden Orten – vom verstaubten „Zauber“ der patriarchalen Weltordnung langsam, aber stetig verabschieden sollten, sind nach wie vor zu hören. Ja, die Lust der Frau war immer schon der Tod des Patriarchats. Aktuell befördert der von diesem Grundmuster hervorgebrachte Fachkräftemangel jedoch nun diverses Interesse. Unternehmen wissen: Es ist mehr als an der Zeit und Vielfalt aller Art werde gebraucht, um attraktiv, wettbewerbsfähig und leistungsfähig zu bleiben. Wollen wir das? Brauchen wir das? Gleichstellung auf allen Ebenen? Selbstverständlich. Doch was ist mit Strömquist´s Zeichnung? Ist da nicht auch ein unangenehmer Widerspruch?

Wer entscheidet in Unternehmen, wer welchen Zugang zu Bildung bekommt? Und wieso ist dieser oftmals hierarchisch selektiert?

© markundhamann

Was befeuert das Bestehenbleiben patriarchaler Muster? Kann Gleichstellung ohne Gleichrangigkeit überhaupt funktionieren? Wie genau ist „auf Augenhöhe-Zusammenarbeiten“ möglich, wenn man die Leitern hinauf und hinunter blickt? Sind demokratische, feministische Führungsstile besser? Besser als was? Sich selbstbestimmt innerhalb von vorgegebenen Strukturen im Rahmen zu entfalten? Hat das etwas mit Ambiguitätstoleranz zu tun (ein häufig falsch eingesetztes Ablenkungsmanöver-Wort)? Nein. Natürlich nicht. Ein Oxymoron jagt das nächste. Wenn Entwicklungsmöglichkeiten mit hierarchischem Aufstieg gekoppelt werden, was bietet man dann all jenen an, die die eigentliche Arbeit machen? Wer wird hier ausgeschlossen, wenn die besten Fortbildungsprogramme den auserwählten Leadership-Stufen zugutekommen? Wer entscheidet in Unternehmen, wer wo welchen Zugang zu Bildung erhält? Und wieso ist dieser oftmals hierarchisch selektiert? Ist das nicht gefährlich? Wollen wir dieses Muster aufrechterhalten oder wirklich, wirklich anders und besser zusammenarbeiten?

Eine Gesellschaft, in der Frauen keine Lust am Erfolg hätten, möchte ich mir gar nicht ausmalen. Wir wären verloren.

So, doch nun zur Lust der Frauen am Erfolg: Die immer wieder erwähnte „Seitenbemerkung“, dass Frauen vielleicht doch weniger Lust auf und am Erfolg hätten, Aufstiegsangebote nicht im vorhandenen Maße annehmen würden und eventuell „noch nicht so weit seien“ findet man auch überall herumliegen. Frauen bräuchten Förderung, Coaching, Persönlichkeitsentwicklung, müssten erst den Umgang mit Macht und der etwas “dünneren Luft da oben” trainieren. Wie steht es also mit unserer Lust am Erfolg? Haben wir weniger Lustgewinn am Erfolg, der in vordemokratischen, patriarchalen Narrativen definiert wird? Handelt es sich dabei um echten Erfolg auf den “wir Frauen” keine Lust hätten? Eine gefährliche Behauptung. Denn eine Gesellschaft, in der Frauen keine Lust am Erfolg hätten, möchte ich mir gar nicht ausmalen. Wir wären wohl alle verloren, das volkswirtschaftliche Desaster ist nicht auszudenken. Doch möglicherweise geht es bei diesem Lust-Thema mehr um den Mangel an Erfolgslust, der auf Kosten von etwas und von anderen geht. Also um den Pseudoerfolg.

Wie wäre es, wenn das „top-down“ Denken und Handeln in ein „outside-in“ überginge, wenn wertschöpfende Teams in vernetzen, dezentralen Strukturen das Unternehmensbild prägen? Wenn sich Organisationen in einem neuen Denkrahmen auf exzellente Höchstleistung konzentrieren, auf beste Bedingungen für großartige, unternehmerische Teamarbeit und auf die Potentialentfaltung aller setzen?

Statt Karriereleitern, die man emporklettern muss, gibt es Werdegänge. Statt der allseits vertrauten Aufstiegskarriere gibt es flüssige Entwicklung, Könnerschaft im Fokus und Lernangebote für alle. Es existiert keine Letztverantwortung, die an diversen Führungskräften klebt, dafür gibt es pluralistische Verantwortung in unternehmerisch denkend und handelnden Teams.

Stellt euch vor: Führungsarbeit nicht als Menschenführung, nicht als Menschen-Entwicklungsauftrag gedacht. Niemand hat Leute unter sich und kümmert sich um die Entwicklung erwachsener Menschen oder führt diese – wohin auch immer. Niemand führt Menschen, die Arbeit selbst führt Teams.

Stellt euch vor, man findet in Unternehmen keine Frauenförderprogramme, denn Frauen müssen nicht gefördert werden. Frauen schaffen bereits Großartiges in Unternehmen, für Unternehmen und außerhalb von Unternehmen. Wir sind Meisterinnen im Wertschöpfen und im volkswirtschaftlichen Beitrag leisten. Es fehlt nicht an der Förderung der Frauen für mehr Lust am Erfolg. Vielmehr sind es strukturelle Hindernisse, Dominanz-Muster, patriarchalen Spuren, vordemokratischen Elemente, Erfolgshemmer.

Organisationen sind gesellschaftlich prägende Orte, sind Demokratiewerkstätten oder nicht, sind Wertschöpfungs-Booster oder Abschöpfungs-Booster, sind top-down getrieben oder partnerschaftlich, gleichrangig vernetzt.

Wenn wir also über die Lust am Erfolg gemeinsam nachdenken wollen, dann sollten wir uns sehr bemühen, die manifestierten Vorstellungen von Organisationsgestaltung, von Führung, von Erfolg, von Macht, von Karriere zu hinterfragen und die attraktiven Alternativen zulassen, durchdenken und gemeinsam mit der Arbeit verweben. Wir sollten gemeinsam am System arbeiten, statt im System alles und alle optimieren zu versuchen. Die gute Nachricht ist: Wir können gemeinsam Organisationen gestalten. Jederzeit.

Für Lust am Erfolg brauchen wir eine verantwortungsvolle Organisationsgestaltung. Wir brauchen Organisationslogiken und Strukturen, in denen sich Menschen in Demokratie weiter entfalten können. Und wir alle erleben das tagtäglich, dass veraltete, lückenhafte, dysfunktionale Wirtschafts- und Managementkonzepte, die auch heute noch dominieren, vielerlei Probleme verursachen.

Organisationen sind gesellschaftlich prägende Orte, sind Demokratiewerkstätten oder nicht, sind Wertschöpfungs-Booster oder Abschöpfungs-Booster, sind Top-down getrieben oder partnerschaftlich, gleichrangig vernetzt.

Erfolgslust-Beförderer, Liebestöter und Erfolgs-Lust-Zertrampler

Menschen, welchen Geschlechts auch immer, tragen Lust am Erfolg in sich, haben Lust auf Erfolg. Lust auf Wirkung, Lust auf Beitrag leisten, Lust auf Mitgestalten. Das entspricht unserer menschlichen Natur. Und dass dies Frauen im herausragenden Maße bereits machen, wissen wir auch schon länger, existentiell für den wirtschaftlichen Erfolg als Gesellschaft. Es wäre eine fatale Unterstellung zu behaupten, dass Frauen keine oder wenige Lust am Erfolg hätten. Vielmehr geht es darum, welche Muster in Organisationen „Erfolgslust-Beförderer“ oder „Liebestöter“ – also „Erfolgs-Lust-Zertrampler“ sind. Wenn wir diese Muster verstehen, können wir uns darum kümmern.  

Arbeitsorte prägen maßgeblich Gesellschaft mit. Ob wir das wollen oder nicht. Ob wir das gut finden oder nicht. Und so wie wir in Gesellschaften prägende Muster vorfinden, die Demokratie, die Wohlstand, die Arbeit, die Erwerbsarbeit, die eine gesunde, starke Wirtschaft und Gesellschaft befördern oder schwächen, so finden wir diese Muster auch in jedem Unternehmen. Die Lust am Erfolg kommt vor allem dann, wenn man „Liebes-Töter“ und „Erfolgs-Lust-Zertrampler-Muster“ in Unternehmen und in der Gesellschaft beseitigt und eine partnerschaftliche Wirtschaftspolitik, Familienpolitik, Bildungspolitik und partnerschaftliches Unternehmertum in den Fokus rückt.

Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Frauenförderprogramme sind großartig. Ich hoffe sehr, dass viele Frauen in viele hierarchische Positionen steigen, um dies dann nutzen, um an der erforderlichen Systemüberwindung mitzuwirken, um die alte, vordemokratische, pyramidale Organisationsform zu überwinden. Frauenförderung ist ein Wertschöpfungsprogramm, ein Höchstleistungsvorhaben, eine Vordemokratieentrümpelung.

Mary Follett lebte von 1868 bis 1933, war als Sozialwissenschaftlerin, Managerin und Forscherin tätig und gilt als die Gründerin der humanistischen Organisationlehre, diesem Konzept der gleichrangigen Zusammenarbeit, der kollektiven Verantwortung. 1919 sagte sie:

”Ich höre mehr Gerede über Zusammenarbeit als über irgendetwas anderes. Aber warum bekommen wir sie dann nicht? Das System der Organisation ist oft so hierarchisch, so auf- und absteigend, dass es fast unmöglich ist, für gegenseitige Beziehungen zu sorgen. Wir können im modernen Business nicht erfolgreich sein, indem wir immer eine Leiter der Autorität auf- und abwärts laufen. Es gibt kein Oben und Unten. Wir können die Menschen nicht als Raumobjekte schematisieren. Statt Macht-über brauchen wir die Macht-mit. Das ist das, was Demokratie in der Politik und in der Wirtschaft bedeuten sollte. Aber da wir nicht die Mittel ergriffen haben, um echte Macht zu erlangen, hat die Pseudomacht ihren Platz eingenommen.“

Wer nun glaubt, es braucht flache Hierarchien, hat Hierarchie nicht verstanden. Wer meint, es gehe um die Abschaffung der Hierarchie, hat Organisation nicht verstanden. Wer behauptet, Leadership ist dasselbe wie Führungsarbeit, unterschätzt die Kraft starker, unternehmerischer Teamarbeit und lässt Wertschöpfungspotentiale liegen. Wer befürchtet, es gehe darum, Führungskräfte abzuschaffen, irrt. Alle werden gebraucht.

Gleich viele Frauen in den Führungsetagen werden das Problem-Schlamassl allein nicht lösen. Gleichstellung hin oder her oder rauf oder runter. Ohne Gleichrangigkeit ist das nicht möglich und dazu ist das Bild der Pyramide … unpassend. Die Richtung geht nach außen nicht nach oben.

*****Anmerkung: Dieser Artikel fokussiert einen von sehr vielen und sehr vielschichtigen Faktoren, Phänomenen, Mustern, die Gleichstellung, Gleichrangigkeit und Gleichberechtigung verhindern, die partnerschaftliche Systeme und die Demokratiestärkung blockieren. Diese weiteren diskriminierenden Muster werden hier zwar nicht behandelt und sind doch hoch relevant und hängen zusammen.

“Es geht nicht um Schuld, sondern um Verantwortung. Wir tendieren dazu, sofort einzelnen Personen die Schuld zuzuweisen. Dabei handelt es sich um ein historisches, strukturelles, institutionelles System, das uns alle einschließt. Sobald man sich dessen bewusst geworden ist, ist echtes kollektives Handeln möglich und können wir diese Unterdrückungssysteme überwinden.” Emilia Roig

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Menschen sind die Lösung.

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