Mythos: Die Vier-Tage-Woche.

Die 4 Tage Woche. Was ist damit konkret gemeint? Kann man in 32 Stunden auf vier Tage verteilt gleich viel leisten, wie Vollzeit von Montag bis Freitag? Und wenn ja: War man dann davor faul? Und wenn man alle 40 Stunden in vier Tagen stemmen soll? Leistet man dann gleich viel – oder weniger? Es werden Vorteile auf allen Ebenen für alle versprochen – doch, stimmt das? Gemeinsam mit Ernst Weichselbaum kreisen wir in meiner Podcastfolge #44 rund um die „4-Tage-Woche“ und ihre Zusammenhänge.

Das verlängerte Wochenende – ein Recht oder eine Pflicht? Geht es um das Recht, sich die Arbeitszeit auf vier Tage aufzuteilen oder ist es eine Pflicht? Wollen das alle? Geht das überhaupt? Wie passt das zu selbstbestimmtem Arbeiten? Weniger Zeit für Arbeit bei gleichem Lohn oder weniger Arbeit bei gleichem Lohn? Was ist mit der 4-Tage-Woche gemeint? Macht sie die Arbeitswelt wirklich attraktiver? Weniger Fehltage, ein Anstieg der Produktivität, eine Zunahme von glücklicheren MitarbeiterInnen. Echt?

“Unser Ziel sollte eine minimale Standardisierung
des menschlichen Verhaltens sein.”
Douglas McGregor

Weniger beschäftigt sein und unter besseren Bedingungen effektiver arbeiten können? Island war eines der ersten Länder, welches die 4-Tage-Woche testete und eine große Studie darüber herausgab. Diese machte deutlich, dass die 4-Tage-Woche mehr “Umdenken” und vor allem “das Systemgestalten” in der Organisation erforderte. Damit alle früher nach Hause gehen können, müssen Unternehmen bessere Bedingungen für bessere, effektivere Zusammenarbeit schaffen. Ob ermüdende Meetings, zu lange Entscheidungswege oder verschlimmbesserte Abläufe,… Wenn man Organisationen “ausmistet”, von Beschäftigung befreit, alles was dem gemeinsamen Wertschöpfen nicht dient beseitigt und dafür das gemeinsame Leisten stärkt, wird eine Organisation als Ganzes schneller und leistungsfähiger. Dann ist die “4-Tage Woche” das Ergebnis, die Folge von einem gemeinsamen Arbeiten am System.

Für weniger Erwerbsarbeit Geld bekommen? €250.- für jeden Elternteil: Der ÖGB und die AK entwickelten das Modell “Familienarbeitszeit”. Hierbei würden Elternteile eine staatliche Förderung erhalten, wenn beide in den ersten vier Lebensjahren des Kindes ihre Arbeitszeit auf 29-32 Stunden reduzieren und sich so partnerschaftlich um die Kinder kümmern. Firmen könnten mehr Menschen beschäftigen, die partnerschaftliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird möglicher, elementare Grundlagen gegen den “Fachkräftemangel” werden verbessert und die Altersarmut bei Frauen würde sinken. Es entsteht der Eindruck eines mehrdimensionalen, volkswirtschaftlichen Fortschritts. Unser Superminister Martin Kocher meint hierzu jedoch, es gehe ihm darum, dass Beruf und Familie vereinbar ist und es ihm deswegen wichtig ist, dass mehr Frauen Vollzeit arbeiten können. Welch oxymoronischer Satz; welch nach wie vor begrenzte Begriffsdefinition von “Arbeit”.

Die Überwachung am Arbeitsplatz zur Steigerung der Arbeitsnehmerproduktivität? Hierzu gibt es äußerst bedenkliche Entwicklungen. Arbeitszeitaufzeichnungen nehmen perfide Formen an. Jeder Gang auf Klo muss mittlerweile dokumentiert werden. Die Überwachung von Menschen erzeugt vieles. Vor allem Frust, Demütigung und Demotivation. Auf keinen Fall jedoch mehr oder bessere Leistung. Trotzdem nehmen digitale Arbeitnehmerproduktivitäsüberwachungstechnologien zu. Menschen werden bei mangelnder Tastaturaktivität als untätig eingestuft. Mit Screenshots wird die Inaktivität aufgezeichnet. “Nachdenken” und “Lesen” wird als Nichtstun eingestuft und aussortiert. Wir sind verloren.

“Wir befinden uns im Zeitalter der Messung,
aber wir wissen nicht, was wir messen sollen.”
Ryan Fuller, ehemaliger Vizepräsident für
Workplace Intelligence bei Microsoft.

Wenn man 20% weniger Arbeitszeit zur Verfügung hat und dasselbe leisten muss – gleicher Lohn hin oder her: War man dann bis jetzt faul oder zu langsam? Was verliert ein Unternehmen, wenn alle alles in 4 Tage komprimieren, wenn Menschen aufgefordert werden, alles wegzulassen, was scheinbar nicht zur echten, eigentlichen Arbeit gehört und genau diese ausmacht? Was trägt alles zum Erfolg als Team, als Unternehmen bei und kann man all das messen? Wie ist das zum Beispiel mit der „Phantasie“, einer der wichtigsten menschlichen Fähigkeiten und ausschlaggebend für Innovation?

Neben einem kleinen Exkurs über Arbeitsplatzproduktivitätsüberwachungstechnologien und was diese anrichten, über das Overtraining Syndrom in der Arbeitswelt, über den Unterschied zwischen Produktivitätserhöhung und Arbeitnehmerproduktivität, über den Unterschied zwischen Teilhabe und Anreizung, schwenken wir den Fokus auf unternehmerische Teams, gesellschaftliche Zusammenhänge und eine wichtige Weichselbaum Abkürzung: MGR – Mach´s gleich richtig.

  • Was macht die Erwerbsarbeit / den Arbeitsplatz wirklich attraktiver und ist gleichzeitig gut für die Wirtschaft?
  • Wieso ist die 4 Tage Woche zu kurz gedacht und was ist die Alternative?
  • Wie schafft man unternehmerische Teams und was ist zu tun, wenn die Produktivität steigt?
  • Wie kann man die Interessen der Eigentümer:in in Gleichklang mit der gesamten Belegschaft bringen? 

Ernst Weichselbaum und ich denken in dieser Podcastfolge schnell und langsam und vor allem zu Ende. Wenn wir eine Erhöhung der Lebensqualität wollen, wenn alle im Unternehmen zum unternehmerischen Erfolg beitragen wollen und alle an diesem Erfolg auch teilhaben wollen, wenn wir selbstbestimmtes Arbeiten eingebettet in all unsere diverse Lebenssituationen wollen, … geht es anders nicht viel besser?

“Entlohnungsmodelle sind der krönende
Abschluss der Organisationsgestaltung –
nicht dessen Voraussetzung. Bei Beteiligung
am Ergebnis denken und handeln Menschen anders.”
Ernst Weichselbaum

Quellen zum Artikel: Halbe-halbe für Eltern-ORF  **Island ** Der Aufstieg der Arbeitnehmerproduktivität-THE NEW YORK TIMES ** In jedem Unternehmen steckt ein besseres**WIRTSCHAFTLICHER ERFOLG DURCH SYSTEMÜBERWINDUNG** Podcast #7 “Wer steuern muss, ist selber schuld”**Podcast #8 “Es gibt keinen überqualifizierten Menschen, nur eine dumme Organisation” ** Bull-Shit-Jobs ** Über Ernst Weichselbaum ** Weichselbaumspuren auf Videos konserviert **Organisationshygiene

Podcastfolge “Die 4-Tage Woche”  

“Jeder und jede ist nur einmal Ich, aber oftmals Teil vom Wir. Deshalb bedarf es einer konstanten Verschiebung von der individuellen Entfaltung hin zur Entfaltung von Gemeinschaft.”
Ernst Weichselbaum

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Ernst Weichselbaum, 1944 geboren, gilt als Vordenker, Konstruktivist, Berater und Unternehmer und ist Erfinder der Nahtstellenorganisation. Er machte 28 Jahre lang Karriere beim Büromöbelhersteller „Bene“, war zuletzt dort Geschäftsführer und führte dort das Modell der „flexiblen Arbeitszeit“ ein. Auch entwickelte er ein partizipatives, ergebnisorientiertes Entlohnungsmodell, das Maßstäbe setzte. All seine Konzepte verschmolzen im Laufe der Jahre zu einer „Zeitorientierten Betriebswirtschaft“, einem System der Betriebsführung mit fixer, von der Auslastung unabhängiger Lieferzeit, das als „das Weichselbaum-System“ auch über die Grenzen Österreichs hinweg bekannt wurde.

“Geht es nicht anders viel besser?
Wie wir einen evolutionären Wettbewerb zwischen attraktiven Alterativen inszenieren.”
Ernst Weichselbaum